Beijing / Berlin – Die Bundesrepublik Deutschland erhält in den Ermittlungen gegen Netzpolitik.org wegen Landesverrates internationale Rückendeckung: So gratulierte Präsident Xi Jinping in einer schriftlichen Meldung Bundeskanzlerin Angela Merkel zum harten Vorgehen der deutschen Behörden gegen kritische Netz-Blogger.
„Wir sind stolz darauf, dass unsere jahrelange Zusammenarbeit zum Umgang mit vermeintlichen Grund– und Menschenrechten endlich Wirkung bei unserem deutschen Partner entfaltet“, heißt es in dem Text. „Stimmen, die glauben, Missstände offenzulegen, stören jedwede friedliche Entwicklung des Staates und die Sicherheit des Staatswohls und müssen daher wieder auf den richtigen Kurs gebracht werden.“
Allerdings kritisiert Xi Jinping das Vorgehen der Bundesbehörden. „Der Vorwand des Landesverrats ist schon ein starker Punkt. Das schlägt natürlich auch international hohe Wellen. Wir empfehlen wirksamere, weniger auffällige Mittel, darunter Hausarrest, Durchsuchungen, Festnahmen mit vorgeschobenen Gründen, Netzsperren und Überwachungen des Internets sowie eine Erlaubnis zur generellen Veröffentlichung von Informationen.“
Denn: Offenbar könne in Deutschland jeder frei und staatlich ungeprüft seine Meinung kundtun, ohne jemals im Umgang mit möglicherweise staatserodierenden Informationen geschult worden zu sein. China habe hingegen gute Erfahrungen mit einer Zensurbehörde und mit staatlich geschulten Journalisten gemacht. „Dank unserer Behörden, die intensiv mit Medien und Journalisten kooperieren, können Probleme bereits vorher geklärt werden. Nicht jeder kann schließlich wissen, was vertraulich ist und was nicht.“
Dieser Argumentation schloss sich inzwischen auch CDU-Bundestagsabgeordneter Jens Koeppen an, twitterte: „Wenn etwas als „Verschlusssache – vertraulich“ eingestuft wird, dann gilt das auch für Journalisten und die, die es gerne sein wollen…“
Im Brief des chinesischen Ministerpräsidenten heißt es weiter: „Eine Vorratsdatenspeicherung könnte helfen, die Quellen der landesverräterischen Journalisten aufzuspüren. „Wir sind froh, dass die Volksregierung in der Bundesrepublik sich bereits zur Einführung einer solchen Technik entschlossen hat. Nur so kann man heutzutage Dissidenten und ihre Informationszuträger wirksam entdecken.“
Auch aus Nordkorea, Syrien, dem Iran, Russland und Saudi Arabien gibt es Rückendeckung. Der nordkoreanische Botschafter Si Hong Ri verließ seine Botschaftsfestung in Berlin, um Bundeskanzlerin Merkel persönlich zu gratulieren. Man habe angeboten, nordkoreanische Justizexperten nach Deutschland zu entsenden, um deutsche Beamten und Staatsanwälte „einige Kniffe und Tricks im Umgang mit Vaterlandsverrätern beizubringen“, so ein Insider aus Kanzleramtskreisen gegenüber der Rheinischen Tagespost.
Saudi Arabien kritisiert hingegen den zu laschen Umgang mit kritischen Stimmen. „Bei uns würden solche Hunde ausgepeitscht“ , erklärt Scheich Ibrahimi al-Saud. Ein Verfahren als Warnschuss zu eröffnen und gleich wieder zu stoppen sei nutzlos. „Das führt doch nur zu einer Solidarisierungswelle, bei der man gegen noch mehr Dissidenten vorgehen muss.“ Man freue sich aber generell, dass Deutschland jetzt versuche, internationale Standards zu übernehmen. Zuletzt war in Saudi Arabien der Blogger Raef Badawi wegen „Beleidigung des Islam“ zu 1000 Peitschenhieben verurteilt worden, nachdem er die Religionspolizei kritisiert hatte. „Solche Kritik ist Landesverrat und schadet dem internationalen Ansehen unseres Staates“, so der Scheich.
Einzig Reporter ohne Grenzen (ROG) reagierte scharf auf die Berichte. „Es ist ein Skandal, dass der Bundesanwalt auf diese Weise versucht, Journalisten unter Druck zu setzen, die in ihrer Berichterstattung über die Machenschaften von Geheimdiensten große Verdienste haben“, schreibt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. „Eine solche Einschüchterung ist für Reporter ohne Grenzen inakzeptabel.“ Die Organisation stufte Deutschland vorsorglich vom bereits jetzt mäßigen zwölften Platz auf Platz 123 herunter.
Da die Organisation zudem ebenfalls die landesverräterischen Dokumente publizierte, entzog die Bundesregierung der ROG zeitweise den Vereinsstatus und eröffnete eine Anklage wegen Landesverrats. „Bis die Sachverhalte geprüft sind“, so Range, „darf Reporter ohne Grenzen in Deutschland aber weitermachen.“ Man erwarte, dass die ROG ein einsehen habe und die Dokumente entferne, bevor die Ermittlungen abgeschlossen sind.
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